Die Angst vor Vorträgen wird von Betroffenen unterschiedlich erlebt.
Sichtbar macht sie sich durch verschiedene mehr oder weniger starke körperliche Symptome: Schwitzanfälle, Herzrasen, zittrige Stimme, starke Nervosität, trockener Mund, rote Flecken am Hals, Tunnelblick und vieles mehr.
Die körperliche Reaktion bei Vortragsangst
Bei Angst werden vom Körper durch das sympathische System des vegetativen Nervensystems verstärkt die Botenstoffe Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Wir befinden uns in einem Zustand höchster Reaktions- und Leistungsbereitschaft, weil die archaischen Grundmuster „Kämpfen oder Fliehen“ (flight-or-fight?) aktiviert werden.
Diese urzeitlichen Programme sind verantwortlich für die vielfältigen Symptome, die wir in diesem Kontext als Angst vor Vorträgen bezeichnen.
Wir machen quasi eine Zeitreise in die Urzeit. Unser Körper versetzt sich in die Zeit des Homo sapiens, als der Mensch noch in Höhlen lebte.
Der Urmensch musste als Jäger und Sammler sehr aufmerksam sein, denn es war für ihn überlebenswichtig. Und überall lauerten Gefahren für ihn.
Er musste blitzschnell eine Entscheidung treffen, wenn sich ein unbekanntes Tier näherte: kämpfen oder besser fliehen?
Und beide Varianten benötigen sofort Energie, die bereitgestellt werden muss. Die beiden Botenstoffe (siehe oben) fokussieren ihn und machen ihn leistungsfähig. Sein Körper ist bereit zu kämpfen oder zu fliehen.
Die richtige Dosierung ist entscheidend
Bei der Angst vor Vorträgen kommt es auf die richtige Dosierung an. Eine leichte Aufregung setzt schlummernde Energien in uns frei. Ist die Aufregung zu stark, blockiert sie uns.
Eine zu große Angst kann zu einer Schockstarre und Angstlähmung führen. Wir werden handlungsunfähig und fallen in eine Hasenstarre (Totstellreflex).
Wenn weder Kampf noch Flucht möglich ist, also Körper und Seele sich der Situation nicht entziehen können, schaltet der menschliche Organismus auf Überlebensstrategien um. Der Mensch erstarrt (ähnlich dem Totstellreflex bei Tieren) und dissoziiert.
Übertragen auf Vortragssituationen, ist dies der berühmte „Blackout“. Die körperlichen Reaktionen, ausgelöst durch die Angst vor dem Vortrag, können so weit angestiegen, dass Betroffene handlungsunfähig werden (Totstellreflex).
Auch wenn wir heute nicht mehr um unsere Existenz kämpfen müssen, laufen die archaischen Grundprogramme immer noch an.
Und das dahinterliegende biologische Überlebensprogramm ist das Gleiche.
Stressauslöser bezogen auf eine übersteigerte Angst bei Vorträgen sind unbewusste Bewertungsmuster und/oder fehlende Zugehörigkeit zur Gruppe.
Mögliche Bewertungsmuster:
Wie werde ich bei den Anwesenden ankommen?
Wie wird die Gruppe meine Präsentation finden?
Was werden die Teilnehmer nach meiner Rede von mir denken?
Sie werden mich alle auslachen
Um den Erhalt seiner Art zu sichern, musste der Urmensch gefährliche Situationen schnell bewerten.
Vor der Gruppe ist es allerdings genau umgekehrt: Wir haben Angst vor der Bewertung anderer Menschen.
Im Grunde genommen ist es allerdings unsere eigene Bewertung, die wir auf die Gruppe übertragen (Spiegel-Gesetz).
Man könnte die Angst vor Vorträgen auch als reinen Bewertungsstress bezeichnen. Allerdings wäre dieser Begriff nicht differenziert genug für das Phänomen Redeangst.