Der Begriff Narzisst ist zwar gebräuchlich, aber nicht jeder weiß, was damit gemeint ist. Laut der griechischen Mythologie wird so ein Mensch bezeichnet, der in sein Spiegelbild verliebt ist. Er lebt für eine gelungene Selbstdarstellung, die ihm wichtiger als alles andere ist. Ständig ist er bemüht, einen perfekten Auftritt zu inszenieren und privaten wie beruflichen Erfolg zu haben, und diesen entsprechend darzustellen.
Kaum jemand kann sich aber vorstellen, dass diese Menschen eigentlich unsicher sind und sich selbst eher weniger mögen. Ihr einziges Selbstbewusstsein ist das, welches sie aus der Bewunderung von anderen bekommen. Narzissmus ist eine Persönlichkeitsstörung, die häufig der Bindungsangst gleichkommt oder dieser vorausgeht. Diese ist häufig schon in der Kinderzeit erworben, und stammt nicht selten von narzisstischen Elternteilen. Eine gewisse Sucht nach Einmaligkeit, nach Erfolg und Größe sind bezeichnend, auch die Fähigkeit, andere zu manipulieren gehört dazu und eine gewisse Empathielosigkeit.
Beziehungssüchtige sind das perfekte Opfer für Narzissten
Als Pendant von einem Narzissten wird ein Beziehungssüchtiger gesehen. Auch er hat eine Störung, wenn es um Bindungen geht, wenn auch in anderer Richtung. Die Ursachen sind häufig die gleichen: in früher Kindheit ein Mangel an Sicherheit und Geborgenheit. Der Beziehungssüchtige ist extrem empathisch, und tut für Liebe alles. Er ist sich unterbewusst sicher, anderen nicht zu genügen. Aus lauter Angst, dass er verlassen werden könnte, ist er bereit, seine Wünsche hintenanzustellen und nicht selten geht er soweit, sich selbst aufzugeben. Er ist daher ein perfektes Opfer für einen Narzissten, da er ihm alle Wünsche erfüllen möchte.
Diese Sucht gebraucht zu werden, wird in der Fachsprache als Co-Abhängigkeit bzw. Co-Narzissmus bezeichnet. Häufig sind Narzissten eher Männer, aber es werden immer mehr Frauen, die diese Störung haben. Bei professionellen Helfern ist der Narzissmus häufig anzutreffen, allerdings in einer versteckten Form. Dabei verstecken sich die Betroffenen hinter häufigem Leiden und fordern Rücksichtnahme bzw. hinter Gutmensch-Sein. Sie drücken den Co-Narzissten Normen auf, die sie selbst nie erfüllen würden und stoßen damit auf die leicht zu beeinflussenden „Gegner“, die den Druck annehmen. Der Co-Narzisst hat somit ständig Schuld- oder Schamgefühle. Beobachten lässt sie sich die unter anderem in religiösen Sekten.
Am Anfang ist die Partnerschaft mit einem Narzissten ideal
Treffen ein Narzisst und ein Co-Narzisst (häufig die Frau) aufeinander, sieht es zunächst nach der idealen Partnerschaft aus, besonders für SIE. Er zeigt sich charmant und macht Zukunftspläne, beschenkt sie und schwört ihr seine Liebe.
Diese Phase wird „Love-Bombing“ genannt, im Slang auch „Charmeoffensive“. Sie kann ein paar Wochen anhalten oder in Ausnahmefällen sogar Jahre. Das kommt meist darauf an, wie gut der Co-Narzisst mit sich umgehen lässt – bewundert er den anderen genug? Ist er ihm dankbar? Ordnet er sich dem Partner genügend unter? Doch so sehr er sich auch bemüht, der Narzisst hat eine solche Sucht nach Bewunderung, dass diese nie gestillt werden kann.
Das Ziel des Narzissten ist es, sein Opfer abhängig von sich zu machen. Hat er das geschafft, beginnt er sich zu langweilen. Dann braucht er eine neue Möglichkeit, um im Mittelpunkt zu stehen. Dann beginnt die Zeit, in der er manipulativ wird: er verbreitet Lügen über Freunde, Kollegen, Familie und Partner(in)…
Im Beisein von anderen wird der Partner beleidigt und hohe Ansprüche an ihn gestellt. Gemeinsame Pläne wirft er gern über den Haufen, sucht sich eventuell jemand Weiteren für eine Dreiecksbeziehung, und kann so Spannungen und Druck oder Eifersucht aufbauen.
Verleumdungskampagnen können die Folge sein, die den Partner immer mehr isolieren. Wenn dieser eine Aussprache möchte, wird ihr/ihm klargemacht, dass sie „dies falsch verstanden hat“. Damit kann der Co-Narzisst an den Rand der Verzweiflung gebracht werden. Dies wird als „Vernebelung“ bezeichnet, bzw. Gaslighting.
Hat der Narzisst den Co-Narzissten lange genug verunsichert und abhängig gemacht, ist er zwar über das Ergebnis zufrieden, kann es aber andererseits nicht ertragen. Dann überlegt er sich den nächsten Schritt: Er beendet die Beziehung ohne Wort, ist verschwunden und lässt eine traumatische Erfahrung beim Partner zurück. Dies wird als Ghosting bezeichnet.
Hernach folgt meist eine totale Verweigerung jeglicher Kommunikation (Silent Treatment). Der Co-Narzisst wird damit gefügig gemacht oder total zerstört. Oft folgen für den Partner Selbstmord oder schwere Depressionen. Hat er dies tatsächlich überstanden oder die gesundheitlichen Folgen sind „ausgeheilt“, wollen die Narzissten dem Expartner dennoch die letzte Energie rauben und ihn wiederum an sich binden. Das kann passieren durch Love Bombing, aber auch Drohungen und Versprechungen. Sie testen, wie weit sie erneut Macht ausüben und Kontrolle über den Ex sichern können.
Häufig wird dafür kein direkter Kontakt aufgenommen, sondern es wird versucht, über Familie oder Freunde Einfluss zu nehmen. Die „Flying Monkeys“ sind dabei meist noch stolz, ihrem Meister zu dienen.
Fazit:
Jeder Mensch kann gewisse narzisstische oder co-narzisstische Züge an sich haben. Doch wenn diese überwiegen, sollte man die Beziehung zu einem solchen Menschen beenden. Narzissten ändern sich keinesfalls, auch wenn sie dies häufig versprechen. Sie sehen ihre Fehler nicht ein und entschuldigen sich nie. Sie kommen in der Regel gut mit ihrem Verhalten durch, zurück bleiben die Co-Narzissten, die depressiv und moralisch erpressbar sind und bleiben.
Häufig wird Co-Narzissten von Dritten geraten, bedingungslos zu lieben und in einer solchen Beziehung auszuharren. Sie verhalten sich damit missbräuchlich. Das Opfer braucht indes eine professionelle Unterstützung von Therapeuten, die sich darauf spezialisiert haben.